FriEnt Workshop bei den Berliner Friedensgesprächen 2021

Learning while doing: Privatwirtschaftliches Engagement in fragilen Kontexten muss konfliktsensibel sein
22. November 2021
Sultan Dogar | iStock

Unter dem Motto „Learning in Peace – Why failure brings us ahead“ fand am 7. Oktober 2021 die Berliner Friedensgespräche des Beirats für zivile Krisenprävention und Friedensförderung statt. In diesem Rahmen organisierte FriEnt einen hybriden Workshop zum Thema „Learning while doing: Dealing with barriers to adaptive management in private sector’s engagement in conflict affected contexts“. 

Diverse Konflikte um Großprojekte wie etwa in der Erdölförderung durch ein transnationales Unternehmen im Nigerdelta und dessen Folgen verdeutlichen ein fundamentales Problem im Bereich Wirtschaft und Frieden: Private Unternehmen, die in fragilen oder von Konflikt geprägten Staaten agieren, ändern meist erst dann etwas an ihren Praktiken, wenn ein Konflikt bereits eskaliert und Gewalt vor Ort ausgebrochen ist. Wie ist es möglich, private Unternehmen davon zu überzeugen, konfliktpräventive Ansätze in ihrem Betrieb anzuwenden, bevor sie ihre Vorhaben vor Ort umsetzen? Wie können Akteure außerhalb des Privatsektors dafür Anreize schaffen und dadurch Gewalteskalation verhindern?  

Unter dem Motto „Learning in Peace – Why failure brings us ahead“ fand am 7. Oktober 2021 die Berliner Friedensgespräche des Beirats für zivile Krisenprävention und Friedensförderung statt. In diesem Rahmen organisierte FriEnt einen hybriden Workshop zum Thema „Learning while doing: Dealing with barriers to adaptive management in private sector’s engagement in conflict affected contexts“. Drei Expert*innen aus der internationalen Zivilgesellschaft, Staat und privater Stiftung diskutierten, wie und von wem private Unternehmen unterstützt werden können, konfliktpräventive Ansätze in von Gewaltkonflikten betroffenen Kontexten mitzudenken und umzusetzen. 

Die Erwartungen an den Privatsektor als Friedensförderer sind zu hoch  

Menschenrechtskonformität und Konfliktsensibilität in fragilen Kontexten sei bei Unternehmen selten gegeben, so Ben Miller, CDA-Collaborative Learning, seien aber Grundvoraussetzung für Friedensförderung Von politischen Entscheidungsträgern werde jedoch häufig eine friedensfördernde Rolle des Privatsektors erwartet. Um zu analysieren wie genau zuallererst ein konfliktsensibles Engagement von Unternehmen begünstigt werden könnte, müsse man sich auch mit Faktoren befassen, die den privaten Sektor daran hindern, sich konfliktpräventiv zu engagieren. Erste Analysen zeigten, dass beispielsweise Länder-CEOs privater Unternehmen offener für konfliktsensible Praktiken sind, wenn sie bereits Erfahrungen mit Konflikten gemacht haben. Darüber hinaus könnten auch Akteure außerhalb des privaten Sektors zu einer schnelleren, konfliktsensibleren Transformation beitragen. 

 Was außenstehende Akteure tun können 

 So könnten vor allem internationale Geber (z.B. Entwicklungsministerien, multilaterale Institutionen) von subventionierten Unternehmen Konfliktsensibilität verlangen. Der Bericht der UN-Arbeitsgruppe Business&Human Rights 2020 über Wirtschaft und Menschenrechte in Konfliktkontexten betone zudem die Notwendigkeit einer besonderen menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht von Unternehmen und Staaten und gebe damit vor, wie dies gelingen kann. Politische Akteure, wie Botschaften oder UN-Vertretungen, könnten darüber hinaus Vernetzung zwischen Zivilgesellschaft, Gebern, Staaten und Unternehmen stärken, um gemeinsame Interessen und Arbeitsagenden zu ermitteln.  

Des Weiteren könnten Nichtregierungsorganisationen, wenn sie legitime Vertreter*innen der lokal Betroffenen sind, wichtige Funktionen erfüllen: etwa als zuverlässiger Mediator zwischen Unternehmen und Zivilbevölkerung, indem sie Friedens- und Konfliktdynamiken verstehen und unternehmensspezifisch vermitteln. Auch begleitende Maßnahmen, die den Zusammenhalt einer Gesellschaft fördern, können konfliktpräventiv wirken.  

 Internes Lernen und konfliktsensible Reformprozesse im BMZ   

 Dr. Martin Schuldes, Leiter des Referats Frieden und Sicherheit, Krisenmanagement des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/BMZ, betonte, dass es für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030 eines fundamentalen Transformationsprozesses bedarf bei dem der Privatsektor eine wichtige Rolle spiele. Für ein konfliktsensibles Agieren des privaten Sektors in fragilen und von gewaltsamen Konflikten betroffenen Kontexten sei entscheidend, den lokalen Kontext zu analysieren und zu berücksichtigen. Dieser Gedanke sei auch das Leitmotiv eines umfangreichen, inhaltlichen Reformprozesses innerhalb des BMZ (BMZ 2030), der erstmals Konfliktsensibilität als Qualitätsmerkmal definiert. Dieses Qualitätsmerkmal in allen Partnerländern und Sektorprogrammen umzusetzen und entsprechende Lernprozesse dafür einzurichten, stelle für das BMZ eine große Chance und Herausforderung dar. Ein positives Beispiel für  interne Lernprozesse, das bereits das Verständnis für den privaten Sektor erhöht habe, sei die Entsendung eines BMZ Mitarbeitenden an den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). 

Die Rollen verschiedener Akteure können komplementär sein  

 Als gemeinnützige Einrichtung könne die Robert Bosch Stiftung keine direkten Investitionen in den Privatsektor vornehmen, zudem seien die ihr für Friedensförderung zur Verfügung stehenden Mittel deutlich geringer als etwa die von Ministerien, so Dr. Stella Voutta, Programmdirektorin Frieden in der Robert Bosch Stiftung. Vorteilhaft könne sich hingegen auswirken, dass sie, anders als Investoren, keine wirtschaftlichen Ziele verfolgen müsse und im Gegensatz zu bilateralen Förderern häufig über größere Flexibilität verfüge. Grundsätzlich seien die Möglichkeiten einer privaten Stiftung daher komplementär zu denen anderer Akteure zu verstehen.  

Aufbauend auf der Empfehlung von Ben Miller, den Privatsektor zur Unterstützung seiner friedensfördernden Potentiale mit anderen Akteuren zu vernetzen, erläuterte Frau Voutta, dass das Zusammenbringen lokaler Friedensakteure unterschiedlicher gesellschaftlicher Sektoren eines der Ziele der „Lokal geführten Friedensinitiativen“ der Stiftung sei. In diesen langfristig angelegten Projekten würden für die teilnehmenden Organisationen und Personen unter anderem gemeinsame Konfliktanalysen sowie Lern- und Reflektionseinheiten angeboten. Die im Privatsektor üblichen Risikoanalysen seien kein Ersatz für Konflikt- und Kontextanalysen, da sie Konfliktkomponenten nicht ausreichend analysierten und Auswirkungen auf soziale Beziehungen und lokale Perspektiven häufig nicht in den Blick nähmen.  

Lernen durch Austausch  

In einer anschließenden Diskussionsrunde wurde unter anderem auf die Notwendigkeit der sprachlichen Annäherung an Wirtschaftsjargon eingegangen. Um sich mit Friedensanliegen auch mit Akteuren aus dem Privatsektor austauschen zu können, müssten sich Friedensakteure die Terminologie der Wirtschaftsakteure in lokalen Kontexten aneignen. Zum Schutz von lokalen NGOs und Menschenrechtsakteuren, könnten ggf. über Botschaften vor Ort menschenrechtliche Anliegen vermittelt werden.  

Eine kontinuierliche Evaluation, die lokale Perspektiven einbezieht sollte bei jeder Investition gewährleistet sein. Die daraus gezogenen Erkenntnisse müssen eine Anpassung der jeweiligen Maßnahmen und Strategien nach sich ziehen. Einige Teilnehmende wünschten sich darüber hinaus eine systematische Analyse um Rollen und Potentiale aber auch Herausforderungen hinsichtlich mächtiger Konzerne, autoritärer Regime und Digitalisierung klarer erkennen zu können.  

Stark angestiegene Förderungen für Klimaanpassungsmaßnahmen seien zwar zu begrüßen, trügen jedoch ebenso Konflikteskalationspotential mit sich wie andere Investitionen. Allgemein seien Landintensive Investitionsprojekte sehr risikobehaftet und zumeist konfliktträchtig. So auch im Bereich „Erneuerbare Energien“. Auch dort sollte ein besonderes Augenmerk auf Konfliktsensibilität und Menschenrechte gelegt werden. Frieden und Friedenskonsolidierung seien nicht als Nebenprodukt wirtschaftlicher Entwicklung zu verstehen, sondern müssten als ein bewusstes Ziel betrachtet werden. 



Die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt) ist ein Zusammenschluss von staatlichen Organisationen, kirchlichen Hilfswerken, zivilgesellschaftlichen Netzwerken und politischen Stiftungen.

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