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Lokale Akteure müssen mitreden

Lokale Perspektiven auf europäische Friedensarbeit im Sahel
25. Februar 2021
Tramso I Pixabay

Die Sahel-Region ist fragiler als je zuvor. Eine Dialogveranstaltung von FriEnt und Fokus Sahel widmete sich den Fragen, wie das europäische friedenspolitische Engagement im Sahel effektiver gestaltet und welche Ansätze ausgebaut und verstärkt werden sollten.

Der westliche und zentrale Sahel stellt den afrikanischen Kontinent vor große friedens- und sicherheitspolitische Herausforderungen. Einerseits äußern sich die Folgen des Klimawandels sowie das schnelle Bevölkerungswachstum zunehmend in Ressourcenkonflikten. Andererseits wirkt sich die Ausbreitung terroristischer und extremistischer Gruppen auf die Sicherheitssituation der Bevölkerung aus. Über 860.000 Menschen aus Mali, Burkina Faso und Niger befinden sich derzeit auf der Flucht. Doch obwohl immer mehr Gelder in die Region fließen und auch die internationale Akteurslandschaft zunehmend unübersichtlich wird, ist die Sahelregion fragiler als je zuvor.

Virtuelle Dialogveranstaltung eröffnete Raum für einen Austausch

Angesichts der friedenspolitischen Herausforderungen ist auch ein Innehalten auf der europäischen Ebene zu beobachten. Insbesondere die Neuauflage der EU-Sahelstrategie von 2011 bietet die Gelegenheit, bestehende Ansätze zur Konfliktbearbeitung im Sahel zu reflektieren. Doch wie kann das europäische friedenspolitische Engagement effektiver gestaltet werden? Welche Herausforderungen gilt es auf lokaler Ebene zu überwinden und welche Ansätze sollten ausgebaut und verstärkt werden? Genau diese Fragen stellte eine virtuelle Dialogveranstaltung, die FriEnt gemeinsam mit Fokus Sahel am 8. Dezember 2020 durchführte. Unter dem Titel „Konfliktbearbeitung im Sahel. Perspektiven zivilgesellschaftlicher Akteure aus dem Sahel auf deutsche und europäische Initiativen“ begegneten sich mehr als 100 Teilnehmende, darunter deutsche und internationale, zivilgesellschaftliche und staatliche Vertreter*innen sowie zivilgesellschaftlichen Stimmen aus Burkina Faso, Tschad, Niger und Mali.

Fehlendes Vertrauen in internationale Akteure

Nach dem Auftakt durch die Moderatorin Kathrin Knodel (Goethe-Universität Frankfurt am Main) eröffneten die Impulsbeiträge der Panellisten Manzo Diallo (Journalist in Agadez, Niger), Ousmane Sy (ehemaliger malischer Minister für Dezentralisierung und Gründer der Organisation ARGA, Mali), sowie Francois-Paul Ramdé (Friedensaktivist und Gründer der Landrechtsorganisation UFC Dori, Burkina Faso) die Debatte. Entlang der Themen Dezentralisierung und Landrechtskonflikte schilderten die Diskussionsteilnehmenden ein angespanntes Verhältnis, das sich in einem wachsenden Misstrauen der lokalen Bevölkerung gegenüber internationalen Akteuren bemerkbar mache. In der anschließenden Diskussion wurde deutlich, dass europäische Akteure zunehmend an Glaubwürdigkeit in der Region verlieren. Fehlende Transparenz über das europäische Vorgehen sowie die unzureichende Kommunikation von sicherheitspolitischen und ökonomischen Interessen erzeugten die Wahrnehmung, dass internationale Akteure die Region in neuer Form besetzen.

Spannungen und Konfliktpotenzial auf lokaler Ebene

Der Dialog zeigte auch, dass sich die Vertrauenserosion nicht ausschließlich auf internationale Akteure bezieht. Auch der Vertrauensverlust zwischen Bevölkerung und der Regierungen stelle eine Herausforderung dar. Insbesondere die Abwesenheit staatlicher Strukturen erschwere die Erfüllung grundlegender Funktionen wie die Gewährleistung der Sicherheit der Bevölkerung. Zudem würden sich Perspektivlosigkeit, unzureichende Ressourcen und Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen und Pastoralisten auf die Zunahme von lokalen Konflikten auswirken. Dieses würde Gewaltakteuren und terroristischen Gruppierungen in die Karten spielen, was zu einer weiteren Verschlechterung der Sicherheitssituation führe.

Brückenschlag zwischen lokaler und zentralstaatlicher Ebene nötig

Trotz dieser komplexen Gemengelage zeigten Diskussionsteilnehmende und Panellisten Ansatzpunkte für eine effektivere und glaubwürdigere internationale Friedens- und Entwicklungszusammenarbeit auf. Die Stärkung von staatlichen Institutionen in ruralen Gebieten könnte dazu beitragen, das Vertrauen der Bevölkerung in den Staat zurückzugewinnen. Da viele Bereiche auf das Zusammenspiel mit staatlichen Strukturen angewiesen seien, brauche es einen Brückenschlag zwischen lokaler und zentralstaatlicher Ebene. Dabei sei es entscheidend, die Dezentralisierung dezidierter voranzutreiben. Daneben sollte der Mitgestaltungswille lokaler Akteure wie Gemeinden, Frauen und Jugendlicher besser aufgenommen werden, betonten teilnehmende Expert*innen. Im Zuge dessen könnte auch die Einbindung lokaler Konfliktlösungsmechanismen dazu beitragen, Spannungen und Konflikte auf Gemeindeebene zu lösen. Sowohl internationale als auch nationale Akteure sollten laut lokaler Expert*innen einen stärkeren politischen Willen für die Umsetzung der Dezentralisierung entwickeln, indem sie Dezentralisierungsvorhaben ausreichend finanzieren und den Ausbau lokaler Strukturen unterstützen. Denn zurzeit gestalte sich das Identifizieren von lokalen zivilgesellschaftlichen wie staatlichen Strukturen abseits urbaner Zentren als schwierig. Aufgrund der regionalen Vielfalt brauche es zudem ein landesspezifisches Vorgehen und eine enge Partnerschaft mit lokalen Akteuren, so die Teilnehmenden. Wichtig sei es darüber hinaus, das bestehende europäische Engagement ganzheitlicher zu gestalten. Um konfliktpräventiv zu wirken, müssten daher Querschnittsthemen wie Klimawandel und Gesundheit stärker in bestehende Projekte integriert werden.

Alte Herausforderungen, neue Relevanz

Die Diskussionen zeigen, dass altbekannte Hürden trotz jahrzehntelangem friedenspolitischem Engagement noch nicht genommen wurden. Umso wichtiger ist es, lokale zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure und ihre Expertise bei der Ausarbeitung einer neuen EU-Sahelstrategie einzubinden.

Die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt) ist ein Zusammenschluss von staatlichen Organisationen, kirchlichen Hilfswerken, zivilgesellschaftlichen Netzwerken und politischen Stiftungen.

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