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Dr. Martina Fischer

martina.fischer@brot-fuer-die-welt.de

Referentin für Frieden

Politik kann nicht zur Tagesordnung übergehen

Lehren aus Afghanistan
21. September 2021
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Deutsche Regierungen haben sich verpflichtet, international zur Krisenprävention, Friedensförderung und Stärkung von Menschenrechten beizutragen. Wird man ihnen nach dem Versagen in Afghanistan noch glauben? Sind die politischen Parteien bereit, diese Tragödie aufzuarbeiten und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen? Diese Fragen sollte man bei den Bundestagswahlen am 26.9. in den Blick nehmen.

Mit den aktuellen Bildern verzweifelter Menschen auf dem Kabuler Flughafen verbindet sich mehr, als nur eine weitere menschliche Tragödie im Kontext des „Kriegs gegen den Terror“. Sie markieren eine historische Zäsur, ähnlich wie der Abzug der USA aus Vietnam, der 1973 begann und mit der Eroberung Saigons durch den Vietcong 1975 endete - da gibt es ganz erstaunliche Parallelen. Und diese Bilder gehen mit einem schwerwiegenden Glaubwürdigkeitsverlusteinher. Die Botschaft, die man im globalen Süden daraus ableiten wird, lautet, dass man sich besser nicht mit westlichen Institutionen einlassen sollte, die ankündigen, Demokratie, Menschenrechte und Geschlechtergleichheit in entfernte Weltregionen zu bringen, weil man am Ende schutzlos zurückgelassen wird. 

Angst vor Migrationsdebatte überwinden 

Der entstandene Schaden, der massive Verlust an Vertrauen in deutsche und westliche Politik, kann kurzfristig nicht wieder gut gemacht werden. Er lässt sich allenfalls etwas begrenzen, wenn die politisch Verantwortlichen die Angst vor einer neuen Migrationsdebatte überwinden und entscheiden, neben den sogenannten Ortskräften in Zukunft auch noch weitere bedrohte Menschen aus Afghanistan aufzunehmen. Die Bundesregierung könnte dafür eine Initiative ergreifen, selbst mit gutem Beispiel vorangehen, und sich mit EU-Ländern abstimmen, die dafür offen sind. Auch mit den an Afghanistan angrenzenden Staaten müsste dafür intensiv verhandelt werden. Zwischen 1979 und 2004 fanden 1,4 MillionenFlüchtlinge aus Vietnam weltweit eine neue Bleibe. Politisches Handeln könnte sich an diesem Beispiel orientieren. Die Frage, wie mit Menschen umgegangen wird, die vor Gewaltherrschaft und Krieg flüchten, sollte auch ein zentrales Kriterium für die Wahlentscheidung am 26. September sein. 

Es bedarf umfassender politischer Aufarbeitung 

Deutsche Außenpolitik kann jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es bedarf einer umfassenden politischen Aufarbeitung der aktuellen Katastrophe. Es ist zu klären, welche Ressorts für die Versäumnisse bei der Evakuierung von Schutzbedürftigen Verantwortung tragen. Darüber hinaus aber sollte man genau beobachten: Sind die im Bundestag vertretenen Parteien bereit, Bilanz zu ziehen und Sinn und Zweck des Engagements in Afghanistan insgesamt eingehender zu betrachten? Welche Lehren ziehen sie daraus? Wie wollen sie sicherstellen, dass sie nicht bei nächster Gelegenheit wieder an der Seite von Verbündeten mit widersprüchlichen Zielen und unklaren Exit-Optionen in den Krieg ziehen? Auch solche Fragen sollten bei der Entscheidung, welchen Kandidat*innen man am 26. September seine Stimme schenkt, eine Rolle spielen. Es ist höchste Zeit für eine wissenschaftlich gestützte Auswertung der ökonomischen und menschlichen Kosten militärischer Interventionen und ihrer Wirkungen auf die betroffenen Gesellschaften. Auch die Annahme, dass die Ausbildung und Ausrüstung von Armeen zu mehr Stabilität und Sicherheit in fragilen Ländern führe, gehört auf den Prüfstand. Das nächste Drama zeichnet sich möglicherweise im Sahel ab - es wäre klug, verstärkt über Alternativen im Umgang mit gewaltsamen Extremisten nachzudenken. 

Dies ist der Auszug eines Blogbeitrages, der am 26.8.2021 im Blog von „Brot für die Welt“ erschienen ist. Sie finden ihn hier in voller Länge. 





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