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Schutz im Kollektiv

Werner-Lottje-Lecture mit Auszeichnung für indigene Guardia
04. Mai 2021
Symbolischer Akt für die Zukunft I Colombiainforma.info

Bereits zum achten Mal luden Brot für die Welt und das Deutsche Institut für Menschenrechte am 20. April 2021 zur Werner Lottje Lecture ein. In Erinnerung an den großen Visionär der Menschenrechtsarbeit in Deutschland werden hier jedes Jahr aktuelle Herausforderungen des Schutzes von Menschenrechtsverteidiger*innen diskutiert. Zudem werden mit der Veranstaltungsreihe auch couragierte Menschenrechtsaktivist*innen ausgezeichnet.

In diesem Jahr wurde mit der Veranstaltung nicht eine einzelne Person, sondern ein ganzes Kollektiv geehrt. Die indigene Guardia der Kiwe Thegnas verteidigen die angestammten Territorien einzelner Dorfgemeinschaften der indigenen Nasa in der Region Cauca im Südwesten Kolumbiens. Die Kiwe Thegnas patrouillieren in ihren angestammten Gebieten und wehren sich friedlich gegen das Eindringen bewaffneter Gruppen. Die Guardia unterstützt die traditionellen Autoritäten bei der Ausübung ihrer Funktionen, schützt die Gemeinden vor bewaffneten Akteuren und koordiniert in Notfällen Rettungseinsätze oder Katastrophenhilfe. Darüber hinaus sind ihre Ortsgruppen wichtig für politische Bildung sowie Bewahrung und Wiederbelebung traditioneller kultureller Praktiken. Als Erkennungszeichen tragen sie den „Chonta“, einen Holzstab, der hohe symbolische und kulturelle Bedeutung hat. Menschenrechte werden hier im und durch das Kollektiv geschützt.

Kolumbien ist das gefährlichste Land

Silke Pfeiffer, Leiterin des Referats Menschenrechte und Frieden bei Brot für die Welt, betonte in ihrer Einführung, dass Kolumbien für Menschenrechtsverteidiger*innen weltweit das mit Abstand gefährlichste Land ist. Nach Zahlen der kolumbianischen NGO Indepaz wurden in den letzten fünf Jahren über 1.100 Aktivist*innen im Land ermordet. Und das obwohl die kolumbianische Regierung und die Revolutionären Streitkräfte Kolumbien, die FARC vor rund fünf Jahren in einem Friedensabkommen vereinbart hatten, die strukturellen Ursachen der Gewalt im Land zu bearbeiten.

Die versprochene Friedensdividende habe ihre Gemeinschaften aber nicht erreicht, betonten die Vertreter*innen der Guardia Indígena, Yina Baicue und Arbey Noscue. Zwar sei der Friedenvertrag selbst positiv zu bewerten, aber vor allem die seit 2018 von Iván Duque angeführte Regierung hätte zu wenig getan, um diesen auch umzusetzen. So sei durch die Demobilisierung der FARC-Truppen ein Machtvakuum in der Region entstanden. Diese wurde schnell durch bewaffnete Gruppen gefüllt, die in organisierte Kriminalität und dem Drogenhandel verwickelt sind. Auf das Konto dieser Gruppen gingen auch die meisten der Morde an Menschenrechtsaktivist*innen und indigenen Anführer*innen, wenn diese sich gegen die illegalen Machenschaften auf ihrem Gebiet zur Wehr setzten. Vom kolumbianischen Staat könne hingegen kein Schutz erwartet werden. Zu oft steckten korrupte Staatsvertreter*innen mit der organisierten Kriminellen unter einer Decke. Die Corona-Pandemie habe die Lage weiter verschärft. Während die politische Arbeit der Guardia Indígena erheblich eingeschränkt sei, könnten sich die bewaffneten Gruppen frei bewegen und ihren Geschäften nachgehen. Angesichts geschlossener Schulen habe die Rekrutierung von Kindersoldat*innen zugenommen.

Bedrohung der Aktivist*innen liegt in der Schwäche des Staats

Die UN-Sonderberichterstatterin für die Situation von Menschenrechtsverteidiger*innen, Mary Lawlor, betonte, dass der kolumbianische Staat seiner Schutzverantwortung gegenüber den bedrohten Aktivist*innen nicht nachkomme. Kolumbien habe viele relevante Menschenrechtsverträge ratifiziert und sogar ein staatliches Schutzprogramm für Menschenrechtsverteidiger*innen ins Leben gerufen. Allerdings sei das Programm unterfinanziert und leide auch am mangelnden Vertrauen der kolumbianischen Menschenrechtsverteidiger*innen

Laut dem deutschen Botschafter in Kolumbien, Peter Ptassek, sei die massive Bedrohung von Menschenrechtsverteidiger*innen im Land aber weniger auf die Regierung Duque zurückzuführen sondern liegt in einer strukturellen Schwäche des kolumbianischen Staats begründet. Denn dieser sei so schwach, dass er in vielen Regionen, wie eben in Cauca, gar nicht die Möglichkeit gehabt hätte, das durch den Friedensschluss entstandene Machtvakuum zu füllen. Trotzdem müsste festgehalten werden, dass der Friedenprozess jetzt schon zu einer Verbesserung der Lage geführt habe. Nun müsse aber alles dafür getan werden, den Friedensvertrag vollständig umzusetzen. Dabei zu unterstützen sei auch die Pflicht der internationalen Gemeinschaft und Deutschlands.

Langfristig muss Vertrauen aufgebaut werden

Auch die Unterstützung von bedrohten Menschenrechtsverteidiger*innen sieht der Botschafter als eine wichtige Aufgabe der deutschen Botschaft vor Ort. Dazu gehöre auch, in der kolumbianischen Öffentlichkeit für Menschenrechtsaktivist*innen und soziale Anführer*innen als wichtigen Motoren sozialen Wandels zu werben. Für einen echten Schutz vor allem von indigenen Aktivist*innen sei es aber notwendig, dass langfristig wieder Vertrauen zwischen ihren Gemeinschaften und den staatlichen Institutionen aufgebaut werde.
Wie beschädigt dieses Vertrauen in den Staat im Moment ist, machte zum Ende der Veranstaltung nochmal Alejandro Ramos von der Guardia Indígena deutlich: „Alle staatlichen Institutionen sind korrupt. Ich habe gesehen wie 50 Meter neben einer Polizeistation jemand ermordet wurde. Und danach hat der Mörder die Polizisten gegrüßt. Wie sollen wir da dem Staat vertrauen?“

Von der internationalen Gemeinschaft und der weltweiten Zivilgesellschaft wünscht sich die Guardia Indígena eine Begleitung ihrer Arbeit. Besuche von Vertreter*innen aus dem Ausland könnten ihre Sicherheit erhöhen.

Die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt) ist ein Zusammenschluss von staatlichen Organisationen, kirchlichen Hilfswerken, zivilgesellschaftlichen Netzwerken und politischen Stiftungen.

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